1910 sah die Welt anders aus. William Davis Hassler kam mit seiner Frau und seinem Sohn 1905 aus einer pennsylvanischen Kleinstadt nach New York und arbeitete dort ab 1909 als professioneller Fotograf. Der Grundstücksmakler Joseph P. Day, der bereits große Teile von Brooklyn und Queens verkauft hatte, sah die Zukunft in der Bronx. "The man who sold the Bronx" beauftragte Hassler die Bronx zu fotografieren, unerschlossene Grundstücke, aber auch die bereits bebaute Bronx. Für New Yorker Elektrizitätsgesellschaften schoss Hassler Fotos von elektrischen Anlagen, Großaufnahmen von elektrischen Teilen wie zum Beispiel einer Lampenfassung und Bilder zur Elektrizität, zum Beispiel wundervoll (elektrisch) erleuchtete Straßen und Schaufenster. Ein spektakuläres Foto zeigt die Manhattan Bridge von oben, fotografiert vom Brooklyn Tower aus, im Hintergrund die alten Piers am East-River.
Auf vielen der mehr als 5.000 in der New-York Historical Society aufbewahrten Fotos spielen aber Hasslers Familie und sein Wohnviertel Inwood die Hauptrolle. Inwood ist das nördlichste Viertel von Manhattan, das westlich vom Hudson River, nördlich und östlich vom Harlem River begrenzt wird. Damals hatte Inwood einen noch fast ländlichen, provinziellen Charakter. Hassler fotografierte Parks, Schulklassen, Feuerwehrautos, altertümlich dampfend und noch von Pferden gezogen, das irgendwie "ur-amerikanische" Polizistenpärchen des Viertels, Häuserzeilen, Straßen, auch die vielen unbefestigten Straßen, Fabriken, Bootshäuser am Harlem-River, Ausflugsboote, Gemeinde-Feste. Viele Fotos zeigen seine Wohnung, das alltägliche Leben drinnen und draußen, Familienfeiern, die Familie im Kleingarten, Ausflüge und in sehr vielen Aufnahmen auch seinen Sohn, seine Katzen Reddy und Peach: Peach in einem Korb inmitten eines Stilllebens aus Maiskolben und Tomaten; der etwa achtjährige William Gray, tief schlafend, mit Teddybär im Arm; William Gray und die Katze Reddy beim Frühstück am kleinen Kindertisch. Die Szenen wirken wie Schnappschüsse – aber: Jedes Foto war sorgfältig inszeniert. Zum Kinder-Katzen-Frühstück brennt eine Kerze dekorativ neben einer Verpackung "Quakers Puffed Rice Cereal", einem typischen amerikanischen Fertig-Morgenbrei – das Foto war vermutlich eine beauftragte Werbeaufnahme. Den erschreckt-erstaunten Blick des Jungen einzufangen, als die Katze sich aufrichtet, um Milch vom Tischchen zu schlecken - das ist eben Hasslers große Fotokunst.
Denn: Spontan mit dem Handy Fotos schießen? Das gab es 1915 nicht. William Davis Hassler benutzte die Kodak No. 8 Cirkut Outfit für Profis, die mit Stativ sogar Panoramafotos im 180 Grad-Winkel schießen konnte. Die gesamte Kamera-Ausrüstung hat aber etwa 20 Kilogramm gewogen. Und in der Analog-Fotografie gab es Negative, die erst entwickelt werden mussten. Hassler benutzte Glasplatten, das verbreitetste Fotomedium, bevor Filme aus rollbarem Zelluloid gute Fotoqualität liefern konnten. Die Glasplatten waren mit einer lichtempfindlichen Emulsion – einem Film aus Schwarz-Weiß-Gelatine – bestrichen und wurden nach der Fotoaufnahme zum Negativ entwickelt. Die Belichtungszeiten und damit die reine Aufnahme waren deutlich länger als heute, weswegen man auch das Stativ benötigte. Andererseits erzeugt das Glasplatten-Verfahren Schwarz-Weiß-Fotos mit wunderschönen Grautönen und Unschärfebereichen bei gleichzeitiger hoher Detailgenauigkeit.
Weswegen berühren uns Hasslers Fotografien? Ist es der Blick zurück in unsere Vergangenheit, in eine längst vergangene Welt in New York?
1910 sah die Welt anders aus. William Davis Hassler kam mit seiner Frau und seinem Sohn 1905 aus einer pennsylvanischen Kleinstadt nach New York und arbeitete dort ab 1909 als professioneller Fotograf. Der Grundstücksmakler Joseph P. Day, der bereits große Teile von Brooklyn und Queens verkauft hatte, sah die Zukunft in der Bronx. "The man who sold the Bronx" beauftragte Hassler die Bronx zu fotografieren, unerschlossene Grundstücke, aber auch die bereits bebaute Bronx. Für New Yorker Elektrizitätsgesellschaften schoss Hassler Fotos von elektrischen Anlagen, Großaufnahmen von elektrischen Teilen wie zum Beispiel einer Lampenfassung und Bilder zur Elektrizität, zum Beispiel wundervoll (elektrisch) erleuchtete Straßen und Schaufenster. Ein spektakuläres Foto zeigt die Manhattan Bridge von oben, fotografiert vom Brooklyn Tower aus, im Hintergrund die alten Piers am East-River.
Auf vielen der mehr als 5.000 in der New-York Historical Society aufbewahrten Fotos spielen aber Hasslers Familie und sein Wohnviertel Inwood die Hauptrolle. Inwood ist das nördlichste Viertel von Manhattan, das westlich vom Hudson River, nördlich und östlich vom Harlem River begrenzt wird. Damals hatte Inwood einen noch fast ländlichen, provinziellen Charakter. Hassler fotografierte Parks, Schulklassen, Feuerwehrautos, altertümlich dampfend und noch von Pferden gezogen, das irgendwie "ur-amerikanische" Polizistenpärchen des Viertels, Häuserzeilen, Straßen, auch die vielen unbefestigten Straßen, Fabriken, Bootshäuser am Harlem-River, Ausflugsboote, Gemeinde-Feste. Viele Fotos zeigen seine Wohnung, das alltägliche Leben drinnen und draußen, Familienfeiern, die Familie im Kleingarten, Ausflüge und in sehr vielen Aufnahmen auch seinen Sohn, seine Katzen Reddy und Peach: Peach in einem Korb inmitten eines Stilllebens aus Maiskolben und Tomaten; der etwa achtjährige William Gray, tief schlafend, mit Teddybär im Arm; William Gray und die Katze Reddy beim Frühstück am kleinen Kindertisch. Die Szenen wirken wie Schnappschüsse – aber: Jedes Foto war sorgfältig inszeniert. Zum Kinder-Katzen-Frühstück brennt eine Kerze dekorativ neben einer Verpackung "Quakers Puffed Rice Cereal", einem typischen amerikanischen Fertig-Morgenbrei – das Foto war vermutlich eine beauftragte Werbeaufnahme. Den erschreckt-erstaunten Blick des Jungen einzufangen, als die Katze sich aufrichtet, um Milch vom Tischchen zu schlecken - das ist eben Hasslers große Fotokunst.
Denn: Spontan mit dem Handy Fotos schießen? Das gab es 1915 nicht. William Davis Hassler benutzte die Kodak No. 8 Cirkut Outfit für Profis, die mit Stativ sogar Panoramafotos im 180 Grad-Winkel schießen konnte. Die gesamte Kamera-Ausrüstung hat aber etwa 20 Kilogramm gewogen. Und in der Analog-Fotografie gab es Negative, die erst entwickelt werden mussten. Hassler benutzte Glasplatten, das verbreitetste Fotomedium, bevor Filme aus rollbarem Zelluloid gute Fotoqualität liefern konnten. Die Glasplatten waren mit einer lichtempfindlichen Emulsion – einem Film aus Schwarz-Weiß-Gelatine – bestrichen und wurden nach der Fotoaufnahme zum Negativ entwickelt. Die Belichtungszeiten und damit die reine Aufnahme waren deutlich länger als heute, weswegen man auch das Stativ benötigte. Andererseits erzeugt das Glasplatten-Verfahren Schwarz-Weiß-Fotos mit wunderschönen Grautönen und Unschärfebereichen bei gleichzeitiger hoher Detailgenauigkeit.
Weswegen berühren uns Hasslers Fotografien? Ist es der Blick zurück in unsere Vergangenheit, in eine längst vergangene Welt in New York?
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